Cindys Eindrücke vom waschechten Malawi-Leben

IM DORF

Wie viele wissen, wohne ich in Blantyre in einem Gästehaus, was gut von internationalen Freiwilligen frequentiert wird. Kaum einer bleibt länger als 3 Wochen… bis auf mich. So schwebe ich hier in einer Wolke aus Amerikanern, Australiern, Engländern, Schweden… Das scheint einem komisch vorzukommen, immerhin bin ich nach Malawi gekommen! Um Malawi kennen zu lernen, die Kultur, die Menschen, die Sprache! Und was habe ich davon bis jetzt erreicht? Recht wenig. Zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass es gar nicht so einfach ist an „waschechte Malawier“ ranzukommen. Mit meinen 180 Euro Monatsgehalt gehöre ich hier ganz einfach zu der Oberschicht, als Europäer hat man das Gefühl, einfach immer bevorzugt behandelt zu werden. So wird man, wenn man wartend an der Straße steht, um vom See zurück nach Blantyre mit dem Minibus zu kommen, keine 10 Minuten später von einem „Reichen“ mitgenommen. Das heißt also, ganz ohne etwas zu tun bin ich hier in die Oberschicht aufgerückt. So war es doch eigentlich meine Absicht zu lernen, wie man mit wenigem auskommt, nicht dem ganzen Konsum unserer heutigen Gesellschaft. So finde ich mich jetzt 9 Monate später wieder… In den teuersten Bars und Diskotheken des Landes. In Games Parks und schon des Öfteren am See. Dann fragt man sich: Wie viele Malawier hatten schon die Gelegenheit mal an den See zufahren? Es sind nicht viele.

Für 2 Wochen sollte ich mich jetzt in dieses „ andere Leben“ wagen. In ein Dorf… in ein richtiges Dorf, ohne Elektrizität, ohne fließend Wasser, ohne Kloschüssel, ohne jeglichen Schnick Schnack.

So ging es am Freitag vor 5 Wochen auf die Reise. Scrivin, unser Paster, wollte mich gegen 10 zum Minibusbahnhof schaffen, gegen 12 saß ich auf der hintersten Reihe eines Minibusses, einen Fensterplatz hatte ich leider nicht erwischt, zwischen 22 Malawiern. Es ist nicht üblich das nicht Malawier hier mit Minibussen fahren, das machen nur Freiwillige, die anderen besitzen Autos und würden sich niemals in einem Minibus setzen. Los ging es auf die Reise. Etwa 1,5 Stunden später hielt der Minibus, der Fahrer meinte wir wären jetzt in Mkulumadzi, das Dorf in dem ich für 2 Wochen leben sollte. Also stieg ich aus, gefolgt von 22 Augen Paaren. Ich muss zugeben ich hatte mir das etwas anders vorgestellt. Normalerweise gibt es Traiding Center, mit etwa 200 Menschen die einen ihr Obst und Gemüse verkaufen wollen. Doch hier war leider nix, bis auf 5 Malawier welche am Straßenrand saßen. So stand ich am Straßenrand während der Bus weiter fuhr. Abgeholt werden sollte ich von Tobias, meinem Gastvater. Gut dachte ich mir, ich bin nicht Malawierin, ich muss auffallen. Das tat ich auch! Binnen weniger Sekunden waren alle anwesenden Augen auf mich gerichtet, aber keiner machte den Anschein mich erwarten zu müssen. 10 Minuten später kam Peter zu mir. Im Gebrochenen Englisch-Chichewa unterhielten wir uns und schnell wurde klar, dass Tobias heute nicht hier erschienen sei und es auch nicht tun wird. Und generell wäre er hier nicht oft. Er wollte mich aber zu seinem Haus begleiten. Die ganze Sache war mir erst mal zu heikel, so zückte ich mein Handy und wollte ihn anrufen. KEIN NETZ! Also sah ich keine andere Wahl und folgte ihm. Dazu muss man sagen die Malawier sind wirklich ein überaus freundliches Volk! Wann immer ich irgendwo gestrandet bin mir wurde geholfen. Sei es am Minibus stand, mitten in der Prärie oder einfach in der Stadt. Keine 2 Minuten nach der ersten Ratlosigkeit hatte ich immer jemanden der mir geholfen hat. Ganz oft wurde ich sogar zum gesuchten Ort Eskortiert ohne jegliche Gegenansprüche!

So liefen wir eine gute halbe Stunde querfeldein ein, angekommen an einen Fluss fragte ich erstaunt wo denn dir Brücke sei? Er griente mich nur an und krempelte seine Hosen hoch. Das Abendteuer hatte begonnen! Schweißgebadete Minuten später erreichten wir das Haus von Tobias Sambani, seiner Frau und 3 Kindern. In diesem Village leben die Familien sehr separat, das heißt das nächste Haus ist oft erst in einem Kilometer Entfernung zu finden.

Angekommen wurde ich Herzlich von Tokozani, meiner Gastmutter empfangen. Sie saß im Hinterhof mit den 2 Schwester von Tobias, welche auch übers Wochenende zu Besuch da waren.

Eine Stunde später traf auch Tobias ein, der sich auch gleich bei mir entschuldigte. Wie sich herausstellte wartete er etwa 1,5 km später an der Straße an einem 2. Haltepunkt. „Haltestellen“ sind hier übrigens nicht als solche gekennzeichnet, jeder weiß aber das es eine ist. Zur Feier des Tages gab es erst mal ein Festmahl. Es wurde extra ein Huhn für mich geschlachtet, es gab reichlich Nsima, das Hauptnahrungsmittel Maisbrei, und Gemüse. Den ganzen Tag über kamen noch viele Bewohnern um mich zu besuchen und Hallo zu sagen, das war echt nett.

DIE FAMILIE

Tobias Sambani ist 35 Jahre alt und peer educater beim Internationalen Roten Kreuz. Jeden Donnerstag trifft sich seine Gruppe in Mwanza. Alle 3 Monate trifft er sich mit unterschiedlichen Bewohnern des Dorfes und fährt mit denen zusammen nach Blantyre um dort im Krankenhaus einen HIV-Test durchzuführen. Außerdem betreut er Selbsthilfegruppen.

Seine Frau, Sakozani ist 30 Jahre alt und Hausfrau. Sie ist die am härtesten arbeitende Frau die ich jäh gesehen habe. Sie macht einfach alles.

Zusammen haben sie 3 Kinder, Shadreck 9 Jahre, Maxwell 8 Jahre, Disaire 1,5 Jahre. Maxwell lebt zurzeit bei der Schwester von Tokozani, da diese Unterstützung brauchte. Es wohnt aber noch Fassan, 10 Jahre, bei ihnen, der keine Eltern mehr hat und von der Familie als Waise aufgenommen wurde.

MEIN TAG

Früh morgen krähte der Hahn das erste Mal gegen 4:30, von da an schön regelmäßig alle 20 Sekunden. Man konnte es also nicht verfehlen gegen 5:45 aus dem Bett zu begnügen. Die Familie war natürlich schon längst vor mir auf und fegte den Hof.

Nach kurzem Gesicht waschen ging es los zum Fluss, in welchem um diese Jahreszeit nur noch ein kleines Wasserloch ist. Jeden Morgen habe ich da mit meiner Gastmutter das Geschirr vom Vortag gewaschen. Danach ging es mit sauberem Geschirr und vollen Wassereimern auf dem Kopf zurück zum Haus. Da gab es den vorher angesetzten Poretsch (Gemisch aus Bohnen, Mais und Milchpulver) mit den Kindern, welche danach zur Schule gingen, zum Frühstück.

Danach kommt es ganz auf den Wochentag an, Samstag geht man zum nicht weit entfernten Mkulumadzi River zum 6 stündigen Wäsche waschen. Montag und Dienstag geht es zu den Gärten, fürs Bewässern, Feuerholz sammeln oder Feuerkohle herstellen & zusammenpacken, die einzige Einnahmequelle die die Familie derzeit hat. Von diesen Tätigkeiten zurückgekehrt muss das umliegende Haus von allen Gewächsen (Gras, Bäume, Sträucher) befreit werden um einen Schutz vor Feuer in der anstehenden Trockenzeit zu gewährleisten.

Alle 2 Wochen wird der Boden der Küche und der Toilette erneuert. Man geht in den Busch, sammelt ein wenig Erde in einem Topf geht damit zurück, wirft es auf den Boden und mischt dieses mit einer Menge Wasser. Dann fängt die große Freude an. Mit den Händen darf der Schlammbrei schön regelmäßig auf dem Boden verteilt werden. Das war am spaßigstem von allem. An die Toilette musste ich zum Glück aber nicht ran!

Gegen 2 hatten wir Mittag, Nsima mit Gemüse. Danach wurde auf der Matte meiste eine Stunde gechillt und wir bekamen Besuch von den Frauen aus den umliegenden Häusern. Dann heißt es erst mal quatschen. Was diese Frauen sich den ganzen Tag zu erzählen haben… Es wird gesungen, gelacht, getanzt, oder einfach nur erzählt.

Nachmittgas ging es weiter, Bohnen sammeln fürs Abendessen, Haus fegen, durchs Dorf laufen und allen Hallo sagen, alles was so anstand!

Eins muss ich sagen. Die Menschen in meinem Dorf waren wirklich alle sehr hygienisch, trotzdem werden die Sachen und die Haut natürlich schnell dreckig, weil man einfach in der Natur lebt. Es wurde ganz viel Wert drauf gelegt das ich wirklich 2-mal am Tag mich waschen gehe, die Kleidung wurde regelmäßig gewaschen und auch die Bettdecken.

Zwischendurch sind immer ganz viele lustige Dinge passiert, die mich einfach nur verwunderten, so dass mir nie langweilig wurde. Eines Nachts hörte ich ein komisches Geräusch unter meiner Matte, ich schenkte dem ganzen keine weitere Aufmerksamkeit. Am nächsten Morgen als ich aufstand trat ich auf etwas Weiches, gummihaftes. Ich guckte an die Unterseite meines Fußes und da klebte eine nackte Babymaus. Die Katze hatte sie nachts in mein Zimmer geschleppt 😀 Am nächsten Morgen kam eines der Kinder mit 3 toten Mäusen nach Hause. Als ich fragte was er damit machte griente er nur und fing an die Mäuse aufzuschlitzen. Abends wurden sie dann gegrillt und mit Haut und Haaren gegessen, sogar die Knochen! Ich will das nicht verurteilen, es ist einfach nur ganz anders .

Eines Abends sind wir später nach Hause gekommen, es war schon dunkel, Tobias lief vor mir und schreckte auf einmal ganz plötzlich auf und zog seine Schuhe aus. Ich fragte was los sei und da zeigte er nur auf den Boden. Eine schwarze lange Schlange, ich dachte natürlich gleich an eine Black Mamba. Er lachte nur und sagte so schlimm sei es nicht, wenn diese Schlange dich beißt bekommt man nur Lähmungen, wenn man nicht schnell genug an Gegengift kommt. Ich hatte noch 25 weitere Minuten in der Dunkelheit zu laufen….

Wenn man ins Dorf läuft bleibt man bei jedem Haus stehen und begrüßt die Bewohner. Es gibt für jede Tageszeit eine spezielle Begrüßungsformel, das ganze kann dann schon mal 20 Minuten dauern bis alle alle begrüßt haben. Dabei gibt es nicht nur das Hallo, sondern es wird nach der Familie, dem Haus, den Tieren einfach allem gefragt.

Mit der Familie selbst wohnten noch 6Ziegen und 10 Hühner, Mittag gegessen wurde auf dem Boden. Das führte dazu dass man sein Essen eifrig verteidigen musste. Sonst konnte es schon mal passieren dass so ein Huhn dein einziges, kleines Stück Fleisch klaut.

Ich habe die 2 Wochen echt genossen, auch wenn es manchmal einfach verrückt war. Wenn man realisiert wie viele Menschen es doch auf der Welt gibt, alle unterschiedlich leben und man doch nicht mal einen Bruchteil davon kennt. Am Anfang habe ich hier immer in Malawi gedacht wenn ich etwas gesehen habe was ich nicht kannte: „Krass, die sind doch verrückt“, oder konnte es einfach nicht verstehen. Jetzt ist mir irgendwie klar geworden das es einfach nur anders ist. Nur weil ich mit etwas aufgewachsen bin heißt es nicht das es richtig ist bzw. falsch. Es ist einfach anders.

Auch hab ich mir viele Gedanken über die Unterschiede gemacht, warum ist Deutschland und Malawi so unterschiedlich, ist es überhaupt so unterschiedlich? Warum ist die Entwicklung der Menschheit anders vonstatten gegangen? Ich weiß es nicht. Ich kann nur sagen dass ein Einzelner nicht aufgrund seiner Vorfahren definiert werden kann. Das heißt ich habe keine Elektrizität erfunden, kein Rad oder irgendetwas anderes tolles. Trotzdem habe ich das Recht auf eine freie Bildung gehabt, ohne etwas dafür zu tun. In Malawi ist mir aufgefallen das viele keinen freien Zugang zur freier Bildung haben und damit die Chancengleichheit aller Verwehrt bleibt. Viele würden gerne zur Schule gehen, haben jedoch einen weiten Weg zurückzulegen, die Eltern können das Schulgeld nicht bezahlen, oder es muss einfach im Haushalt mit geholfen werden um die nächste Ernte zu sichern.

Ich wollte noch mal klar stellen das das Programm mit dem ich hier bin nicht dafür da ist Entwicklungshilfe zu leisten. Sonder es wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ins Leben gerufen um Deutsche Jugendliche für Entwicklungspolitische Themen zu sensibilisieren.

Ich bin nicht der Meinung das Internationale Freiwillige nach Malawi kommen können und die Welt verbessern. Was gibt uns überhaupt das Recht zu sagen wir HELFEN???? Das setzt voraus das wir sagen dieses Land kann sich nicht selber helfen. Der Meinung bin ich jedoch nicht. Ich finde aber wie gesagt dass jeder das Recht hat auf eine freie und weltoffene Bildung. Ich für mich finde dass man genau hier ansetzen sollte, dass eine eigene, individuelle Entwicklung stattfinden kann. Und kein Aufzwängen einer Welt von der wir glauben dass sie richtig sei.

Ok Sorry, ich bin jetzt fertig 🙂 Ich konnte das ganze leider nicht kurz fassen, da ich Angst hatte irgendetwas falsch rüber zu bringen. Und auch will ich noch mal klar stellen das wahrscheinlich jeder eine andere Auffassung bekommt, wenn er 10 Monate in Malawi verbracht hätte.

Ich wünsche euch noch einen schönen Sommer, in 2 Monaten bin ich wieder da!

Liebste Grüße