Was für eine Zeit!
Vor vielen Monaten wurden Paul, Malte und Illary für die Europameisterschaft 2025 als Mitglieder des S.K.I.D.-Nationalteams nominiert. Unsere Vorbereitung begann allerdings schon deutlich früher: Mit schweißtreibenden Trainingseinheiten, taktischen Nachbesprechungen und Testturnieren wurde an allem gefeilt, was sich feilen ließ. Am 22. April war es dann endlich so weit: Abflug Richtung Kreta!
Mit im Gepäck: Illary, Malte und Paul, die sich in Kata und Kumite mit Europas Besten messen wollten, sowie Magda, Paula, Julia und Tim als Coaching-, Orga- und Gute-Laune-Team. Im ICE nach Berlin startete die Reise im Bistrowagen bei strategischen Besprechungen und knallharten Regelwiederholungen. Das Spiel „Dobble- Asterix und Obelix“ ist schließlich nicht ganz einfach. Begeisterungsfähig und fokussiert, wie wir eben sind, hätten wir um ein Haar den Ausstieg am Flughafen verpasst.
Am Flughafen BERlin trafen wir auf die anderen Mitglieder des Nationalteams aus Dresden, Leipzig, Löbau und Berlin, bevor Eurowings die #ReisegruppeFuenfstueck geschlossen auf die Sonneninsel brachte. Nach einer kleinen Rundreise mit dem Pauschaltourismus-Bus kamen wir endlich im Hotel an und ließen den Abend bei einem gemütlichen Teamessen ausklingen – ein schönes Ritual, das uns die ganze Woche begleitete.
Mittwoch: Zwischen Wiegen, Winken und Wasserspielen
Der Mittwoch startete – nennen wir es mal: vielschichtig. Während sich das Coaching-Team mit einem frühmorgendlichen Orga-Parcours auseinandersetzte, genossen unsere drei Wettkämpfer ein paar ruhige Stunden. Zumindest in der Theorie.
Während unsere Kampfrichter im feinen Zwirn bei der Kampfrichter-Schulung schwitzten, begann das große Zittern für alle Kumite-Starter: Das offizielle Wiegen stand an. Flashbacks zu Neoprenanzügen und Haargewichtsanalysen begleiteten zumindest die Ouchis. Unsere drei Starter konnten jedoch gelassen bleiben. Nach erfolgreicher Akkreditierung und leichterer Geldbörse (der Sayonara-Party-Beitrag hatte spontan Messepreise erreicht – “These are our rules” – „Aha, naja aber…, oss, thank you“) ging es für das deutsche Team zur ersten Vorbereitungseinheit mit Sonnenbrille auf den Fußballplatz des Nachbarhotels, um neben dem Ort auch im Karate „anzukommen“.
Der Tag hätte harmonisch enden können – hätte. Denn ein spaßiger und gänzlich missverstandener Pool-Zwischenfall (Grüße an Malte und Paul) sorgte für Verstimmung beim Hotelmanager, der kurzerhand zur Geisterstunde die Zimmerräumung bis zum Morgen anordnete. Wir konnten es klären. Doch danach hieß es für die vermeintlichen Unruhestifter aber: „Yame ist Yame.“
Donnerstag: VIP-Busse, Vorfreude und “Very cheap red belts”
Erster Besuch der Wettkampfhalle! Während andere Nationen bequem im Shuttle kamen, mussten wir improvisieren: Unsere griechischen Freunde fanden unsere „Book-it-yourself“-Strategie nicht so genial und wollten uns daher nicht in ihren Transferplan integrieren. Kein Problem für uns! Von nun an kutschierten uns drei schwarze VIP-Busse täglich zum Austragungsort. Stil hat man oder nicht.
Beim Training auf den Tatamis konnten Malte und Illary erste Wettkampfluft schnuppern. Paula und Magda mischten fleißig mit, halfen als Partnerinnen und saugten die Atmosphäre auf. Für Julia, Tim, Magda und Paula ging es später noch zu den japanischen Großmeistern: Unter der Anleitung von Miura Shihan, Koga Shihan, Kanazawa Kancho und Murakami Shihan nahmen wir wieder viele Tipps und Trainingshinweise mit.
Bei der anschließenden Coach- und Kampfrichterbesprechung dann der nächste Knaller: Die roten Wettkampfgürtel? Bitte selbst mitbringen. Oder alternativ morgen kaufen. “Veeeery cheap!” – Wir lachen heute noch.
Das gemeinsame Abendessen des deutschen Nationalteams fand an diesem Tag zur Freude aller in Begleitung von Nagai Shihan statt, der seinerseits auch Murakami Sensei und Nobuaki Kanazawa Kancho eingeladen hatte. Ein würdevoller Ausklang vor dem ersten großen Wettkampftag.
Freitag: Illary con todo!
Erster Wettkampftag, 06:30 Uhr: Frühstücksbuffet. Energie für den Tag tanken! Pünktlich um 08:00 Uhr rollen unsere Limousinen vor die Halle. Fanecke aufgebaut, Stimmung: top!
In der nicht ausgeschilderten Aufwärmhalle (Spaß mit System!) begann das Abenteuer:
Unsere Masters haben sich hier von ihrer besten Seite gezeigt und bereits am ersten Tag vier Platzierungen erkämpft: Anna-Maria – 2. Platz Kumite Damen; Marcus Ebertseder – 3. Platz Kata Herren; Roman Gerolt – 3. Platz Kumite Herren; Michael Surkau – 2. Platz Kumite Herren. Doch das Highlight des Tages blieb für uns Illary!
Illary startete in der mit fast 60 Startern pickepackevollen Kategorie “Boys 16–17” (In den meisten Kategorien waren es eher 20 Teilnehmer). Gleich in der ersten Runde Tekki Shodan gegen einen Starter aus Israel – nicht Illarys Lieblingskata. Und dann das Ergebnis: 5 Flaggen für ihn! Der Jubel kannte vom Coach-Stuhl bis zur deutschen Fanecke keine Grenzen. Zwei weitere Runden entschied er für sich, ehe er knapp gegen den späteren Drittplatzierten aus Dänemark verlor: Lukas Murakami Petersen (Der Name sagt mir was.). Natürlich ist eine Niederlage erstmal schmerzhaft. Doch Illary nahm es durchaus gelassen und freute sich spürbar, dass er bei seiner ersten Europameisterschaft unter die TOP 8 gekommen ist (PS: In der offiziellen Statistik wird er als Platz 5 geführt 😉 ).
Im Kumite folgte direkt das nächste Highlight: Nach einem ersten Abtasten im ersten Kampf gegen einen jungen Rumänen ging Illary in Führung und ließ seinem Gegner auch danach kaum eine Chance zum Ausgleich. Kurz vor Ablauf der Zeit dann der erlösende Konter von Illary zum ersten internationalen Kumite-Sieg seiner Laufbahn. Der zweite Kampf ging zwar verloren, doch Illary hatte sich längst in unsere Herzen gekämpft.
Was so ein internationaler Wettkamptag mit einem macht, spürte auch Malte, der von der Tatami in der Aufwärmhalle gar nicht mehr wegzukriegen war. Am nächsten Tag sollte es dann für Malte und Paul losgehen.
Samstag: Zwischen Haarschnitt und Heldentaten
Der Samstag sollte eigentlich ein “Copy-Paste” des Vortags werden. Doch da kam es schon…das erste „Mini“-Drama: Pauls Ausweis war verschwunden. Panik! Wühlaktionen vor Ort! Zimmer-Razzien mit Durchsuchungsbitte durch Marcus‘ Frau! Doch dann: der Griff in Pauls “Korb des Chaos” – und siehe da, der Schlingel lag ganz seelenruhig darin.
Kaum war die Katastrophe abgewendet, konnte das Warm-up beginnen, bevor die Eröffnungszeremonie auf dem Programm stand, bei der nicht nur griechischer Tanz geboten wurde: Miura Shihan (Italien) und Asano Shihan (Großbritannien) erhielten den 10. Dan. Standing Ovations!
Danach wurde es sportlich ernst: Pauls und Maltes Kategorien liefen nahezu parallel – warum sollte es auch einfach für uns sein? Acht Kategorien, vier Coaches, hektisches Treiben. Die Lösung: ein Logistik-Meisterstück mit Paula und Magda als heimliche Heldinnen des Tages. Wegen durchaus problematischem Verhalten anderer Teams am Freitag konnten sich die beiden trotz ihrer Akkreditierungen als „Fotografin“ und „Physiotherapeutin“ doch nicht ganz so frei bewegen, wie wir uns das vorgestellt hatten (Herzliche Grüße gehen raus an das Team der Ukraine! Ihr habt es spannend, aber nicht unmöglich gemacht.) Paula und Magda blieben verlässlich dran und wichen Paul und Malte nicht von der Seite, mogelten sich auf die Bänke und verzweifelten nur fast an der Aussprache der Kata-Wertungen. Ihr wart uns eine riesengroße Hilfe! 😊
Dann ging es los! Mit einem enormen Motivationsschub startete Malte bei seinem ersten Katastart: Kanku Dai! Dank frischem Haarschnitt (Plus-Aura an Kretas Barbier Nr. 1!) war die Kata noch dynamischer. Leider war sein Gegner aus Portugal nicht irgendwer, sondern der spätere Vize-Europameister. Bitteres Los! Aber Malte lieferte richtig ab und machte es damit weder dem Kontrahenten noch den Kampfrichtern leicht.
Paul zeigte direkt, was in ihm steckt: Mit einer starken Empi katapultierte er sich ins Halbfinale. Mit seiner Nijushiho konnte er sich zwar leider nicht bis ins Finale durchsetzen, holte sich aber noch am gleichen Abend ein Lob von Kanazawa Kancho ab, der Paul auf seine Kata ansprach.
Im Kumite war nun Maltes eigener Erwartungsdruck unheimlich hoch. Sein erster Kampf sollte gegen einen Wettkämpfer aus der Ukraine gehen (kleiner Spoiler: Vier der TOP 8 waren am Ende Ukrainer). Doch Maltes Gegner sollte nicht dazugehören! Hochkonzentriert und gespannt wie eine Feder konterte Malte seinen Gegner zweimal aus. Mit diesem Sieg waren alle Ketten gerissen! Es war ein Befreiungsschlag und mit ihm die Gewissheit: Wir können hier mithalten! Auch wenn im zweiten Kampf gegen den späteren Viertplatzierten (wieder aus Portugal) leider etwas Glück fehlte, konnte Maltes Motivation kaum noch gestoppt werden. Die meisten hätten wahrscheinlich um die Portugiesen einen großen Bogen gemacht. Malte freundete sich gleich mit mehreren an.
Paul musste sich in seinem ersten Kampf einem erfahrenen Griechen geschlagen geben. Doch bei Paul gilt ja auch ziemlich zuverlässig: „Man sieht sich immer zweimal…in einem Turnier.“ 😉
Sunday is team day
Der Sonntag stand ganz im Sinne der Teamdisziplinen. Mit insgesamt sieben deutschen Kata- und Kumite-Teams der Herren und Damen war der Tag wieder mehr als gefüllt. Paul und Malte durften sich in der Kumite-Team-Kategorie (18-39) noch einmal präsentieren. Auch wenn sich das deutsche Team dem Gastgeber aus Griechenland knapp geschlagen geben musste, waren es tolle und sehenswerte Kämpfe. Ach, da war ja noch dieser Grieche aus dem Einzelkumite. Natürlich hatte Paul diesen nun erneut vor der Nase…und gewann diesmal deutlich! 😉 Ein Glanzstück leistete auch Tommy König, der zur EM-Vorbereitung mehrere Wochen mit uns trainierte und im Team-Kumite seinen Gegner schließlich bezwang! Ein toller Erfolg! Bei den Masters kamen neben den Erfahrungen und persönlichen Erfolgen auch noch Medaillen heraus. So halten Andy, Roman und Marco in der Kategorie Katamannschaft 120+ Jahre einen 3. Platz, wobei Andy und Roman auch im Yakusoku Kumite bis 100 Jahre (zusammen gerechnet natürlich 😉) einen tollen 2. Platz erreichten. Gekrönt wurde der Wettkampftag durch die Bronzemedaille der Kumitemannschaft 40+ (nicht zusammengerechnet) mit Roman, Marcus, Michael und Marco Weber.
Das musste natürlich gefeiert werden und genau dafür war auch dieses Jahr die Sayonara-Party unweit unseres Hotels perfekt. Ein ausgelassener Abend mit gutem Essen und Getränken, tollen Freunden und jeder Menge lauter Musik war hier der perfekte Abschluss einer gemeinsamen Reise, die uns als Nationalteam noch mehr zusammengeführt hat.